Zierlicher Wasserschlauch
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Der Zierliche Wasserschlauch fängt seine Beute innerhalb von zwei Millisekunden. Das ist eine der schnellsten Bewegungen des gesamten Pflanzenreichs.

Zierlicher Wasserschlauch

(Utricularia bremii)
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Der Zierliche Wasserschlauch fängt seine Beute innerhalb von zwei Millisekunden. Das ist eine der schnellsten Bewegungen des gesamten Pflanzenreichs.

Fleischfressende Pflanzen, auch Karnivore genannt, hast du sicherlich schon einmal gesehen. Die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) oder die Kannenpflanze (Nepenthes spec.) kennen die meisten von uns und sie faszinieren uns immer wieder. Sie fangen Insekten und andere kleine Tiere mit ihren zu Fallen umgewandelten Blättern. Aber kennst du auch den Zierlichen Wasserschlauch? Er sieht zwar nicht gefährlich aus, hat aber einen spektakulären Fangmechanismus entwickelt, um seine Beute zu schnappen.

Hast du dich auch schon gefragt, was genau sich bei diesen Pflanzen hinter dem Begriff „fleischfressend“ verbirgt? Alle grünen Pflanzen haben ja die super Eigenschaft Lichtenergie aus der Sonne umzuwandeln und in energiereichen organischen Verbindungen, z.B. Kohlenhydraten zu binden. Diese Verbindungen nutzen die Pflanzen dann für Wachstums- und Stoffwechselprozesse. Dazu benötigen sie nur Kohlendioxid aus der Luft und Wasser und Nährsalze aus dem Boden. Warum also sollten sie aufwändig Tiere fangen? Ganz einfach: Sie zersetzen ihre eiweißreiche Beute meist über das Ausscheiden von Enzymen und verbessern so ihre Versorgung mit den Nährsalzen, hauptsächlich mit solchen, die Stickstoff enthalten. Wegen dieser Fähigkeit können der Wasserschlauch und all die anderen fleischfressenden Pflanzen so an Standorten überleben, an denen viele andere Pflanzen keine Chance haben. Fotosynthese müssen sie wie die meisten anderen Pflanzen natürlich auch betreiben.

Zierlicher Wasserschlauch
Verbreitungskarte
Zierlicher Wasserschlauch
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besonders hohe Verantwortlichkeit

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kommt in nährstoffarmen Gewässern vor

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vegetative Ausbreitung, Teile der Sprosse

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blüht von Juli bis September

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Doch wie genau funktioniert das mit dem Fangen der Beute? Pflanzen können ja keinem Beutetier hinterherjagen. Daher haben sich im Laufe der Evolution außergewöhnliche Mechanismen entwickelt, die Beute in die Falle zu locken. Fallen sehen von Art zu Art unterschiedlich aus, eines haben sie jedoch gemeinsam: sie haben sich aus den Blättern der Pflanzen entwickelt. Man unterscheidet zwischen passiven Fallen wie den Gleitfallen der Kannenpflanzen und aktiven Fallen, wie beispielsweise den Klappfallen der Venusfliegenfalle. So eine Klappfalle hast du vielleicht schon einmal auf- und zuklappen sehen. Das sieht schon ziemlich spektakulär aus. Auch unser Wasserschlauch hat einen aktiven und sehr raffinierten Fangmechanismus, den man allerdings nicht so gut beobachten kann, denn die Aktion findet unter Wasser statt. Er besitzt sogenannte Fangblasen, die durch eine Klappe verschlossen sind und in welchen ein Unterdruck herrscht. Durch den Unterdruck werden die Wände der Fangblase zusammengezogen. Außen an den Fangblasen befinden sich kleine Fühlborsten, ein zuckerhaltiges Sekret soll zusätzlich helfen, die Beutetiere anzulocken. Mit den Fühlborsten registriert der Wasserschlauch, wenn ein Beutetier nah an die Fangblase herankommt. Passiert das zum Beispiel einem Wasserfloh, so öffnet sich blitzschnell die Klappe, die Wände der Fangblase dehnen sich nach außen und die Beute wird in die Fangblase eingesaugt. Danach schließt sich die Klappe wieder. Nach dem Fang wird die Beute verdaut und das Wasser wieder aus der Fangblase befördert, sodass diese bereit ist sich das nächste ahnungslose Opfer zu schnappen. Und wenn du das schon beeindruckend findest, dann ist es umso imposanter, dass die gesamte Prozedur nach zwei Millisekunden vorbei ist. Zum Vergleich: Der menschliche Wimpernschlag dauert ganze 150 Millisekunden.

Weltweit gibt es 220 Wasserschlauch-Arten. Die meisten, vor allem tropische Arten, leben an Land in feuchten Böden.  Die bei uns heimischen Arten leben in Gewässern und sind mehr oder weniger stark gefährdet. Der Zierliche Wasserschlauch wird in der Roten Liste als stark gefährdet eingestuft. Seit 1950 haben sich seine Vorkommen deutlich verringert, nun kommt er nur noch in einigen wenigen Gewässern in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern vor. Um diese letzten Populationen zu erhalten, ist es äußerst wichtig, ihren Lebensraum zu schützen. Die Gewässer werden zum Beispiel durch Nährstoffeintrag aus landwirtschaftlich stark gedüngten Flächen immer nährstoffreicher. So verliert der bestens an nährstoffarme Gewässer angepasste Wasserschlauch seinen Lebensraum. In Zukunft könnte ihm der Klimawandel durch die zunehmende Trockenheit der Sommer zusätzlich zu schaffen machen. Wissenschaftler vermuten, dass gerade in Süddeutschland Pflanzen in Mooren, Sümpfen und auf Feuchtwiesen nahezu ausgerottet werden könnten. Das hat auch schon der Sommer in 2019 gezeigt, in dem viele Teiche mit Vorkommen des Wasserschlauchs austrockneten.

Im Projekt WIPs-De sammeln wir eigentlich Saatgut, und lagern dieses in den Saatgutbanken ein. Bei dieser Art gibt es aber ein Problem: Sie bildet keine Samen. Eine Einlagerung in die Saatgutbank ist deshalb nicht möglich. Aber was wird denn dann gesammelt? Der Zierliche Wasserschlauch vermehrt sich über Ausläufer. Für die Erhaltung der Art werden also Teile der Sprossachsen gesammelt. Davon wird dann in den Botanischen Gärten eine Erhaltungskultur angelegt. Das ist die einzige Chance, diese Art zu erhalten, wenn die Lebensräume verschwinden. Sollten diese irgendwann renaturiert werden können, dann könnten wir den Wasserschlauch wieder aus den Botanischen Gärten in die Natur zurückbringen.

Um spannende Arten wie den Zierlichen Wasserschlauch zu schützen ist es an uns allen, etwas für den Erhalt seines Lebensraumes zu tun. Wenn du aktiv werden willst, schau dich auf unserer Seite „Mitmachen“ um oder frag einfach mal bei einer Naturschutzorganisation in deiner Nähe nach.

Quellenangaben

Bild oben: Mikroskopische Aufnahme einer Fangblase des Zierlichen Wasserschlauchs (Botanischer Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, F. Hahn).
Bild 1: Die Blüten des Wasserschlauchs erheben sich über das Wasser (Universität Regensburg, Lehrstuhl für Ökologie und Naturschutzbiologie, J. Marabini).
Bild 2: Mit den kleinen, runden Fangblasen fängt der Wasserschlauch unter anderem Wasserflöhe, Rädertierchen und kleine Krebstiere (Botanischer Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, A. Schönhofer).
Barthlott W., Porembski S., Seine R. & Theisen I. (2004): Karnivoren: Biologie und Kultur fleischfressender Pflanzen. Ulmer, Stuttgart.
Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.) - Floraweb: Daten und Informationen zu Wildpflanzen und zur Vegetation Deutschlands. http://www.floraweb.de/. Zugriff im Mai 2020.
Buse J., Boch S., Hilgers J. & Griebeler E. M. (2015): Conservation of threatened habitat types under future climatic change – Lessons from pant-distribution models and current extinction trends in southern Germany. Journal for Nature Conservation 27: 18 - 25.
Lönnig, W.-E. (2012): Die Evolution der karnivoren Pflanzen: was die Selektion nicht leisten kann - das Beispiel Utricularia (Wasserschlauch); wissenschaftliches Sachbuch. MV-Verlag.
Meyers D.W. & Strickler J.R. (1979): Capture enhancement in a carnivorous aquatic plant: Function of antennae and bristles in Utricularia vulgaris. Science Vol. 203: 1022 – 1025.
Sydenham, P.H. & Findlay, G.P. (1973): The rapid movement of the bladder of Utricularia sp. Austr. J. Biol. Sci. 26, 1115-1126.